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Das Ende vom Anfang

Autorenbild: anuschkaa1anuschkaa1

Ich war schwanger, bin es aber nicht mehr.


Heute möchte ich von meiner traumatischen Erfahrung einer Fehlgeburt erzählen. Es ist ein super sensibles Thema, welches so vielen Frauen widerfährt und in der dunkelsten Zeit meines Lebens, war ich dankbar, über jedes Gesicht, dass sich zu diesem Thema geöffnet hat. Dieser Blogbeitrag dient zum Einen Frauen, die gleiches oder ähnliches durchlebt haben und ich weiß, wie gut es tut, sich mit Anderen darüber auszutauschen und zum Anderen dient er einfach mir, zur Heilung und therapeutischen Aufarbeitung.


Triggerwarnung: Fehlgeburt

 

Ich weiß tatsächlich gar nicht, wie ich beginnen soll. Am Besten doch einfach am Anfang oder? ... Genau wie bei meiner ersten Schwangerschaft hätte ich an einem Samstag meine Periode bekommen sollen und am Mittwoch davor verspürte ich ein Ziehen in den Brüsten, sodass ich einen Schwangerschaftstest machte. Und da war er wieder der zweite Strich.

Ich habe mich so so sehr gefreut, aber dennoch war die Freude dieses Mal anders, viel bestimmter. Auch dieses Baby war ein absolutes Wunschkind von uns. Wir haben uns immer einen kurzen Altersunterschied zwischen den Kindern erhofft. Ich konnte die Freude nicht lange für mich behalten und habe meine Mama zu mir gerufen. Mama hat sich auch total über diese Nachricht gefreut, klar sie würde schließlich wieder Oma werden. Außerdem habe ich meinem Mann einen Body vom Kleinen angemalt, wo drauf stand "Papa, ich werde großer Bruder". Am Abend hat mein Mann es also auch erfahren und unser Glück hätte tatsächlich nicht größer sein können, denn wir waren absolut bereit für unser zweites kleines Wunder.


Die Tage und Wochen vergingen und alles war unverändert, genauso wie in der Schwangerschaft mit unserem ersten Kind. Wäre die Periode nicht ausgeblieben und wüsste ich nichts von der Schwangerschaft, würde ich es wieder nicht bemerken. Wir fingen an es unseren engsten Freunden und der Familie zu erzählen. Ich war und bin nach wie vor ein positiv gestimmter Mensch. Das heißt im Falle der Fälle, der jetzt leider tatsächlich eingetreten ist, würde ich mit den Menschen in unserem nahen Umfeld so oder so über diesen Schicksalsschlag reden wollen. Aber wie gesagt, bin ich auch diese Schwangerschaft mit einem positivem Mindset gestartet und habe wirklich gar nicht an sowas gedacht. Ich wusste ja, mein Körper hat es schonmal geschafft. Also warum sollte er mir dieses Mal kein gesundes Baby schenken. Aber ich durfte schnell erfahren, dass einfach jede Schwangerschaft anders verläuft, auch wenn sie anfänglich so gleich zu sein scheint.


In meiner achten Schwangerschaftswoche stand endlich der Frauenarztbesuch an. Und wie schon erwähnt, ich hatte wirklich nie einen Gedanken daran verschwendet, dass irgendetwas schief laufen könnte. Wir haben eher noch darüber gescherzt, dass es vielleicht zwei oder drei sein könnten. Es war also alles wie immer und ich freute mich sogar richtig auf den Termin. Als es dann soweit war und die Ärztin mich mit dem Ultraschall untersuchte, war sie still. Auf einmal, ganz aus dem nichts, überkam mich ein Unwohlsein. Aber dann sah ich es, unser kleines Würmchen. Ich spürte sofort, dass etwas nicht stimmt, denn ich wusste ja durch meine erste Schwangerschaft, wie es alles auszusehen hat und das Schlimmste, ich habe keinen Herzschlag gesehen, was in dieser Woche üblich sein sollte.

Die Ärztin war die ganze Zeit still, was mein ungutes Gefühl nur noch mehr bestärkte und dann kam sie endlich zu Wort:


"Ich bin jetzt ganz direkt und ehrlich und möchte Ihnen nichts beschönigen. Aber ich sehe hier leider keinen Herzschlag mehr. Was mir erfahrungsgemäß außerdem ein Dorn im Auge ist, ist der viel zu große Dottersack. Der dürfte in dieser Phase nicht größer als das Embryo sein, und hier ist es doppelt, fast dreifach so groß. Und dann ist da die Fruchthöhle, diese müsste eigentlich schön rund und geformt sein und hier sieht es schon so aus, als würde sie einfallen. Für mich sieht es aktuell so aus, als wäre diese Schwangerschaft leider nicht intakt. Hatten Sie bereits Blutungen?"


Kein Herzschlag mehr? Zu Groß? Eingefallen? Nicht intakt? BLUTUNGEN? Mein Inneres konnte gar nicht fassen, was es da gerade zu hören bekam. Ich war wie unter Schock und konnte erstmal gar nichts sagen. Sie fragte dann nochmal nach, ob ich bereits Blutungen gehabt habe, was ich dann endlich verneinte. Ich habe die ganze Zeit versucht meine Emotionen zu unterdrücken und stark zu sein. Mir wurde daraufhin Blut abgenommen und zwei Tage später sollte ich erneut zum Blutabnehmen kommen, damit der β-HCG-Wert kontrolliert wird. Dieser soll sich bei einer "normalen" Schwangerschaft jeden Tag verdoppeln. Sollte dieser bei mir aber sinken, geht alles in Richtung einer Fehlgeburt.


Kaum war ich aus der Tür, konnte ich meine Tränen nicht mehr halten und habe fürchterlich angefangen zu weinen. Da geht man nichtsahnend mit einem tollen Gefühl zur Ärztin und kommt mit solchen schrecklichen Nachrichten nach Hause. Ich habe direkt meinen Mann angerufen und ihm unter Tränen alles erzählt. Aber Männer sind in solchen Fällen so viel rationaler und wir Frauen ab Beginn des positiven Schwangerschaftstests schon emotional mehr gebunden. Und da macht es für mich keinen Unterschied, ob 8. Woche oder 8. Monat.

Natürlich hat er versucht mir Mut und Zuversicht zu zusprechen, aber ich habe mich in dem Moment so missverstanden gefühlt. Ich bin dann also zu meinen Eltern gefahren, um den Kleinen abzuholen und habe auch denen diese schlimmen Nachrichten übermittelt.

Ich wurde hier gut aufgefangen, wollte aber den Nachmittag für mich sein und meinen Gedanken und Emotionen Raum lassen.


Ich habe mir also den Kleinen geschnappt und bin nach Hause gefahren. Und ich muss hier tatsächlich sagen, dass er mein absoluter Anker in diesem Moment war. Jedes Mal, wenn ich ihn angesehen habe, verging der Schmerz für einen Augenblick. Dann schossen aber wieder Gedanken in mein Kopf wie, es wäre sein Geschwisterchen geworden und das Geheule fing wieder an. Auch jetzt wieder, kaum schreibe ich diese Zeilen nieder, habe ich einen Kloß im Hals und die Tränen fließen einfach. Dieser Verlust ist wirklich mit keinem anderen zu vergleichen, weil es einfach ein Teil von einem selbst ist. Und da bin ich mir sicher, es wird mich für immer begleiten, man lernt nur damit zu leben...

Unser Sohn hat tatsächlich empathische Züge gezeigt und seinen Kopf neben meinen gelegt und ganz viel Nähe gesucht. Ich mag mir nicht ausmalen, wie Frauen mit diesem Verlust umgehen müssen, die nicht bereits ein gesundes Kind zu Hause haben. Mich hat der Gedanke nämlich so sehr bestärkt, dass ich in meinen Körper vertraue, er weiß wie es richtig geht und kann gesunde Kinder zur Welt bringen.


Ich habe versucht die Situation rationaler zu sehen, habe mich dafür bedankt, dass ich nochmal schwanger werden durfte, auch das ist ein wundervolles Geschenk. Nur ist eben etwas bei der Zellteilung schief gelaufen und ich weiß, dass es statistisch jede dritte Frau trifft oder jede Frau bei drei Schwangerschaften eine Fehlgeburt durchleben könnte. Aber das sind alles Statistiken, ich brauchte Gesichter und ging in den Austausch. Mit Frauen auf Instagram, wo ich wusste, dass sie ähnlichen Verlust erlitten haben und schaute mit Erfahrungsberichte auf Youtube an. Da war auch direkt klar für mich, dass ich mich öffnen werde. Dass ich meine Geschichte erzähle, um Frauen zu zeigen, dass man nicht alleine ist. Denn das habe ich mich gefühlt. Alleine.


Als mein Mann abends von der Arbeit kam, lagen wir uns erstmal weinend in den Armen. Denn auch für ihn ist es ein Verlust, wobei ich absolut nachvollziehen kann, dass die emotionale Bindung zum Ungeborenen hier eine ganz andere ist. Dennoch haben wir viel geredet und uns Trost geschenkt. Man hat gemerkt, dass er lange überlegt hat, wie er mit mir umgeht, aber wie er es gemacht hat, war genau richtig. Der Gedanke, dass diese kleine Kinderseele nur einen ganz kurzen Weg unseres Lebens bei uns war, hat mich aber die ganze Nacht gequält. Denn das Schlimmste stand mir noch bevor.

Der Abgang unseres Babys.


Für mich war direkt klar, dass ich das Baby auf natürlichem Wege verlieren möchte und es nicht ausschaben lassen will. Ich vertraue in meinen Körper und wenn er der Meinung ist, dieses Baby wäre nicht lebensfähig und stößt es ab, dann ist er auch in der Lage dazu, es selbst hinzubekommen. Dieser Gedanke wurde mir aber ganz schnell genommen. Am Donnerstag Abend kam dann der traurige Anruf meiner Frauenärztin, dass die Schwangerschaft leider wirklich nicht intakt sei und der Wert am Dienstag bei 10.000 war, am Donnerstag auf 40.000 hätte steigen müssen, aber nur bei 12.000 war. Das spricht alles dafür, dass das Kind in der 6+4 SSW gestorben ist, keine Entwicklung mehr stattfand und der Abgang kommen würde. Dadurch, dass alles aber schon so groß sei und unser Würmchen fötusartige Strukturen aufwies, wäre eine Ausblutung mit großen Risiken für mich verbunden. Es könnte nämlich noch 1-2 Wochen dauern und dann die Gefahr einer Dauerblutung und ein hoher Blutverlust bestehen, weshalb ich schnellstmöglich ins Krankenhaus zur Ausschabung solle. Woraufhin ich am nächsten Morgen direkt einen Termin vereinbarte und auch bekam.

Mein Papa holte mich also am Freitag Morgen ab, wir brachten den Kleinen zu meinen Eltern, damit Mama auf ihn aufpasse in der Zeit und fuhr mich dann ins Krankenhaus. Natürlich durfte ich erstmal einen Coronatest machen und ging dann zur gynäkologischen Ambulanz. Dort wurde ich aufgenommen und durfte ganze 2 Stunden auf die Untersuchung bei der Gynäkologin warten. Das Warten war wirklich schlimm, ich habe so viele Frauen gesehen, denen man einfach ähnliches oder gleiches Schicksal im Gesicht ablesen konnte. Es kam dann also irgendwann zum OP-Gespräch, wo mir alles erklärt wurde, ich willigte ein und die erste Tränen flossen, da ich in diesem Moment einfach beschloss die Schwangerschaft zu beenden, auch wenn ich wusste sie war bereits vor 1 1/2 Wochen beendet. Aber dieser Gedanke, dass das Embryo tot in einem lag und man so gar nichts davon bemerkte, geht schon sehr an die Substanz. Bei der Untersuchung hat auch diese Gynäkologin bestätigt, dass die Schwangerschaft nicht intakt sei und ich bekam 2 Tabletten, damit sich der Gebärmutterhals öffnete, um die OP zu erleichtern.


Danach stand das Gespräch mit dem Narkosearzt an, wovor ich unheimlich Respekt hatte, denn es war einfach meine aller erste OP und dann auch noch direkt mit Vollnarkose. Kurz danach wurde ich auf Station gebracht und durfte dort 2 1/2 Stunden warten, bis die Tabletten wirkten und ich zum OP dürfe. In mein Zimmer wurde eine weitere Frau verlegt, die mir schon im Wartezimmer aufgefallen ist. Wir haben nicht miteinander geredet. Jeder lag in seinem Bett und wir haben nur gemerkt, wie jeder vor sich hin geweint hat und versucht hat die Situation zu verarbeiten. Sie wurde eine halbe Stunde vor mir aus dem Zimmer geholt, denn ihre Ausschabung stand an. Das war eine so schlimme halbe Stunde für mich, denn ich habe nur noch eine halbe Stunde unser Würmchen im Bauch, nur noch eine halbe Stunde bin ich schwanger. Danach bin ich leer. Danach bin ich alleine.


Ich wurde also auch abgeholt und als ich so im Bett zum OP-Saal geschoben wurde und die wirklich liebe Krankenschwester mir Mut zusprach und anfing mich an der Schulter zu streicheln, brach alles raus und ich fing so heftig an zu weinen. Da lag ich nun kurz vor der OP und wartete auf die Ausschabung. Das schlimmste war, dass die Frau aus meinem Zimmer unmittelbar aus dem Saal geschoben wurde und ich sie gesehen habe, wie sie ganz benommen vor sich her geschrien hat "Ist es weg? Ist es aus meinem Bauch raus?".

Das war eins der traumatischsten Erlebnisse, die ich jemals erlebt habe. Ich fing automatisch wieder bitterlich an zu weinen. Was einem in diesem Moment vorgeht, kann man wirklich nicht erklären. Alles wurde für die OP vorbereitet, der Katheter wurde gelegt und ich wurde in den OP-Saal geschoben. Ich spürte wie mein Arm anfing heiß zu werden und da wusste ich das war's jetzt. Mir flossen die Tränen über die Wange, welche die Helferinnen vorsichtig wegwischten und damit bin ich eingeschlafen.


Als ich aufwachte, habe ich mich gefühlt, als hätte ich einen Winterschlaf gehabt. Dann kam die Krankenschwester und hat mich gefragt ob alles okai sei. Mir flossen wieder die Tränen und ich nickte nur, dass alles okai sei. Danach wurde ich wieder auf Station gebracht und realisierte, dass es vorbei sei. Dass ich nicht mehr schwanger sei und das unser kleines Baby jetzt ein Sternenkind ist. Ich hatte wirklich zu keiner Zeit Schmerzen, selbst beim ersten Mal Wasser lassen nicht. Ich bekam einen Tee und etwas Zwieback. Endlich, denn ich hatte jetzt 15 Stunden nichts gegessen und nichts getrunken. Natürlich hatte ich noch etwas geblutet, aber viel weniger als bei der Menstruationsblutung. Im Nachhinein war ich froh über die Ausschabung, denn ich denke dass ein natürlicher Abgang mit viel mehr Blut und das überall an meinen Beinen und den enormen Schmerzen mir die Fehlgeburt um einiges schlimmer gemacht hätte.


Trotz des traurigen Verlustes, werden wir definitiv nicht mit der Familienplanung aufhören. Außerdem beruhigt mich der Gedanke, dass alles aus einem bestimmten Grund geschieht und vielleicht war es nicht der richtige Zeitpunkt, vielleicht habe ich diese Erfahrung auch gebraucht, um das erste Wunder noch mehr zu schätzen. Ich möchte ehrlich mit Euch sein, ich dachte, weil ich bereits eine so wundervolle Schwangerschaft und Geburt hatte, werden folgende genauso toll sein. Man befasst sich nie wirklich mit den Risiken einer Schwangerschaft, mit der Natürlichkeit einer Fehlgeburt, weil es immer nur die Anderen trifft. Man rechnet einfach nicht damit, dass man selbst eine der drei Frauen sein könnte. Ich habe meine erste Schwangerschaft natürlich zu schätzen gewusst, aber jetzt noch tausend Mal mehr. Denn es ist alles andere als selbstverständlich und alles andere als leicht.


Aber vielleicht hat unser Sternchen den Weg auch nur für ein ganz besonderes Kind vorbereitet - dieser Gedanke löst einfach alles in mir.


 

Diese Zeilen niederzuschreiben, war wirklich nicht einfach, aber so erlösend für mich und ich hoffe, dass ich Frauen, die Ähnliches erlebt haben wenigstens ein Stück auffangen kann, denn mir hat es furchtbar geholfen. Fehlgeburten gehören zu Schwangerschaften dazu und sind einfach "normal" und ich bin der festen Meinung, dass es kein Tabuthema mehr sein sollte und sich das Öffnen, vielen Frauen bei der Heilung helfen könne. Es ist aber auch vollkommen okay, wenn man sich nicht öffnen möchte. Trauer ist eine der individuellsten Emotionen und es gibt kein Regelwerk, wie lange man trauern darf, bei einer Fehlgeburt ab welcher SSW man trauern darf oder wie man mit der eigenen Trauer umzugehen hat. Ihr dürft damit nach außen gehen, mit Freunden und Familie gemeinsam trauern. Ihr dürft aber auch ganz still werden und inne halten.


Mich selbst hat die Erfahrung endgültig erwachsen werden lassen, sie hat mich gezeichnet, aber sie hat mir eben NICHT alles genommen. Sie hat mir einen Schutzengel im Himmel geschenkt, sie hat mich wachsen lassen und meiner Ehe eine neue Tiefe gegeben.


Gebt Euch die Zeit, die Ihr braucht und lasst den Schmerz nicht Eure Zukunft bestimmen.

 

Bevor wir den Schmerz trugen, trugen wir dich, und in unserem Herzen tragen wir dich immer noch!


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